50 Jahre – Vergangenheit – Zukunft
Am 4. Juni 1972 gründeten elf Menschen in Remscheid den Kinderschutzbund. Auslöser war ein Radiobericht über das Kindersorgentelefon des Kinderschutzbundes Köln. Dem eiferte man in Remscheid dann schnell mit einem Jugendnotruf nach. Neben Einzelbetreuung und -beratung, Babysitterdienst und Malstuben bot man in einem Gebäude der evangelischen Kirche in Lennep Kinderbetreuung und Hausaufgabenhilfe an. Mitte 1974 scheiterte das Projekt eines Kinderhauses. 1975 wurde ein kleines Ladenlokal im ehemaligen Stadthof an der Scharffstraße neuer Stützpunkt.
Was ist in den 50 Jahren seit Gründung für Kinder, Jugendliche und Eltern erreicht worden? Anhand von verschiedenen Kriterien soll dies geprüft werden.
1. Quantität: In der Familienberatungstelle, am Kinder- und Jugendtelefon, beim Begleiteten Umgang, in der Fachstelle Frühe Hilfen, im offenen Ganztag und anderen Aktivitäten sind Zehntausende beraten, betreut und begleitet worden.
2. Qualität: Aus den rein ehrenamtlich engagierten Menschen an privaten Telefonen wurden im Laufe der Jahre ausgebildete Beraterinnen und Berater mit bundeseinheitlicher Telefonnummer an einem festen Standort. Weitere Professionalität brachten in den 80er Jahren die hauptamtlichen ABM-Kräfte (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Heute arbeiten neben 80 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern elf Hauptamtler und vier Honorarkräfte, die regelmäßig Supervision erhalten.
3. Struktur: Der kleine von den Wohlfahrtsverbänden kritisch beäugte Konkurrent machte sich auf die Suche nach Kooperationspartnern. Durch den fachlichen Austausch auf Jugendhilfetagen entstanden neue Kooperationsprojekte:
– Elternkurse Fit für Kids: KSB mit Stadtteil e.V., Schlawinern und Bergischer Diakonie
– Müttertreff Mama mia: KSB mit 3 Schwangerschaftsberatungsstellen und 2 Familienbildungsstätten sowie dem skf
– Fachstelle Frühe Hilfen: KSB und Caritasverband beraten alle Eltern mit Kindern von 0-3 Jahren
– Kinder im Blick: (Elternkurse für hochstrittige Eltern) KSB zusammen mit Psychologischer Beratungsstelle, pro familia sowie Kath. und Ev. Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle
Es gibt Kooperationen mit zahlreichen Familienzentren. Auch der anfangs skeptische Blick des öffentlichen Jugendhilfeträgers wurde mit der Zeit wohlwollender und kooperativer.
– gemeinsame große Zeitungsanzeige vom öffentlichen und den freien Trägern der Jugendhilfe zur Verabschiedung des § 1631 BGB (gewaltfreie Erziehung)
– Mein Körper gehört mir: Zusammenarbeit des Kinder- und Jugendtelefons, der Grundschulen und der Polizei beim Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt an Kindern
– Zusammenarbeit KSB und Pflegekinderdienst bei Fortbildungen und im Begleiteten Umgang
– Präventionsprojekt Kinderarmut unter Führung des Jugendamtes mit vielen freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe
– Netzwerk UMA: Kooperation von Jugendamt mit allen Beteiligten im Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
4. Politik: Der Kinderschutzbund ist nicht parteipolitisch, aber gesellschaftspolitisch engagiert. Initiativen der vergangenen Jahre: 30 km in der Emil-Nohl-Str. und Wilhelmstraße, Testkäufe von Alkohol, kein Automatenverkauf von Alkohol, Zusammenlegung von Kinder- und Frauenklinik, Beteiligung an Friedensaktivitäten, Elterninitiative Pseudokrupp, Gründung der Notbremse, ehrenamtlich Beratung von Kindern auch ohne Eltern-Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge, Einsatz für die Kinderrechte.
5. Finanzen: Begonnen wurde mit knapp 10.000 DM Jahresbudget, das inzwischen auf über 500.000 € angewachsen ist. Finanziert werden wir durch Bund, Land, Kommune, Mitgliedsbeiträge, Bußgelder, Stiftungen, Spender und Sponsoren sowie durch unsere 3 Kleiderläden.
Welche Themen stehen für die Zukunft an:
- Kinderarmut: wir hoffen, dass die Ampelkoalition sich um das Thema Kindergrundsicherung kümmert.
- Kinderrechte ins Grundgesetz: auch hier hat die Ampel versprochen zu handeln und diesmal dem Kindeswohl Vorrang zu geben.
- Klimaschutz ist auch Kinderschutz: die Eltern und Großeltern tragen Verantwortung dafür, den Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.
- Beratung von Kindern – auch ohne Eltern (Kinderstärkungsgesetz) wird ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Beratungsstellen nicht umsetzbar sein.
- Kinderpatenprojekt: wir hoffen, dass durch Corona verschobene Projekt zur Unterstützung von Familien in Angriff nehmen zu können.
- Elternkurse Fit für Kids gibt es jetzt auch online.
- Präventionsarbeit muss stärker finanziell unterstützt werden, da sie sich rechnet (siehe Netzwerkkonferenz Frühe Hilfen am 15.06.2022). Wir dürfen nicht warten, bis die Kinder „in den Brunnen gefallen sind“.
- Interdisziplinärer Kinderschutz: als Folge von Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster sind wir gemäß dem Kinderschutzgesetz NRW aufgefordert, mit allen am Kinderschutz beteiligten Akteuren verstärkt zusammenzuarbeiten. Für den Oktober planen wir dazu einen Fachtag.
- Kinderrechte: nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern auch in anderen Teilen der Verwaltung sind junge Menschen an den Entscheidungen zu beteiligen. Da sind wir noch weit von entfernt.
Es gibt also viel zu tun. Wir freuen uns über Unterstützung. (Karl-Richard Ponsar)
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